Hallo,
mich hat es ja letztes Jahr erwischt und ich hatte daraufhin den Thread hier erstellt.
Ich habe mich daraufhin sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt. Wie bei vielen Koi Themen (z.b. Ozon) herrschen hier ziemlich viele Halbweisheiten. Ich habe mir daher sogar die Mühe gemacht, die wissenschaftlichen Arbeiten zu dem Thema zu besorgen und habe diese auch gelesen.
Den wenigsten ist allerdings vermutlich bekannt, dass in der Arbeit über KHV Carrier Fische (Doktor Arbeit für Veterinärmedizin aus dem Jahr 2007) in der Versuchsreihe 1 mit zwei Koi, in der Versuchsreihe 2 mit vier Koi gearbeitet wurde und in der dritten Versuchsreihe mit 12 Karpfen gearbeitet wurde. Mich hat gewundert, dass diese Versuchsgruppen überhaupt für eine wissenschaftliche Arbeit ausreichen. Aber das ist vermutlich den zur Verfügung stehenden Geldern geschuldet.
In der Arbeit und auch in anderen konnte zwar nachgewiesen werden, dass in einigen Fällen durch Stress Carrier Fische den Virus streuen (das ist ja ein grundsätzlich bekanntes Verhalten bei Herpes Viren auch in anderen Bereichen). Viel interessanter ist aber in all den Arbeiten aus meiner Sicht, dass es auch immer unauffällige Carrier gab.
Mein Koi Doc (und das ist einer der bekannteren Koi Ärzte in Europa) sagte mir, dass bei Japan Koi die Durchseuchung mit KHV aus seiner Sicht mittlerweile sehr hoch ist. Er bezog sich nicht auf die wissenschaftlichen Arbeiten, sondern seine jahrelange Praxis. Er hat seit Jahren bei ansteigenden Temperaturen in vielen Teichen Ausbrüche von "Virus" Erkrankungen. Allerdings verlaufen diese bei weitem nicht mehr so dramatisch wie vor 2010. Da mit KHV die meisten immer noch ein Horror-Szenario mit 80-100% Ausfällen verbinden, denken vermutlich viele Teichbesitzer oft auch gar nicht an KHV, wenn es mal Probleme mit einigen Ausfällen gibt. Dann war es halt das Collumnaris Bakterium oder ein anderes gesundheitliches Problem.
Ich gehe davon aus, dass die meisten Koi das Virus schon "kennen" und unter normalen Umständen vermutlich damit nicht mehr so große Probleme haben. Anders lässt es sich auch kaum erklären, dass noch vor Jahren 80-100% bei einem Ausbruch gestorben sind und heute deutlich weniger Koi sterben.
Die rigorose Aussage in der Vergangenheit, dass man den kompletten Bestand keulen soll, ist wohl heute nicht mehr wirklich zeitgemäß. Ich verurteile aber auch niemanden, dass es heute noch machen würde. Ich glaube aber diese Aussage ist vor allem im Sinne des Koi Händlers, der dann wieder neue Fische verkaufen kann.
Auch diesen Winter hat man wieder von einige Koi Farmen in Japan gehört die KHV Ausbrüche hatten. Ich persönlich gehe sogar davon aus, dass fast alle Japan Koi zwischenzeitlich mit dem Virus in Kontakt gekommen sind und sich letztendlich die Tiere durchsetzen, die mit dem Virus besser umgehen können.
Ich hatte ja wie berichtet 2018 einen Ausbruch und habe dies auch bei zwei verstorbenen Koi nachweisen können (durch Tauros Diagnostik). Mir sind damals 8 Koi gestorben (das war etwas weniger als 20% meines Bestandes, wobei 4 von den Koi Neuzugänge waren).
Alle anderen Koi sind seitdem fit. Keine Folgeprobleme oder Erkrankungen. Ich habe 2019 nicht einmal eine Parasitenbehandlung gemacht.
Ich habe lange überlegt was ich mache. Ob ich noch einmal neue Koi zusetze oder nicht.
Ich habe dann im Frühjahr 2019 zehn Karashi Tosai hinzugesetzt. Auch weiterhin keine Problem. Ich bin seit Ende April durch eine Luft-Wärme-Pumpe konstant über 23 Grad (also voll in dem Bereich, wo ein Virus Ausbruch erfolgen würde). Weiter keine Problem. Weder bei den alten noch bei den zehn neuen Koi. Im Gegenteil - alle top fit und massives Wachstum.
Was sagt uns das? Nicht wirklich viel.
Allerdings ist meine "Studie" mit 25 alten Koi und 10 neuen Koi deutlich größer als die zitierte Doktorarbeit und läuft auch schon deutlich länger als der dort erfolgte Untersuchungszeitraum.
Ich persönlich denke, dass KHV bei Koi nicht mehr das große Problem ist. Anders sieht es allerdings bei Speisekarpfen aus. Diese "kennen" das Virus nicht und hier sind die Ausbrüche daher meist weiterhin massiv. Noch im letzten Jahr gab es einen See in Deutschland mit einem massiven KHV Ausbruch und riesigem Karpfen sterben. Daher sollte man als Koi Besitzer alles unternehmen, dass die Koi nicht in anderen Gewässer kommen können. Vermutlich lassen sich aber in fast allen Teichen Koi mit Antikörpern nachweisen und auch in jedem Teich schwimmen vermutlich Carrier. Daher stellt jeder Koi aktuell eine Gefahr für Speisekarpfen dar.
100% KHV freie Bestände gibt es nicht. Dafür ist das Testing nicht umfassend genug und auch nicht sensibel genug. Jeder Händler oder Teichbesitzer, der das Gegenteil behauptet hat entweder keine Ahnung und lügt bewusst.
Glücklicherweise ist aber mittlerweile ein Impfstoff für KHV in Aussicht.