Teil 10, Vom Yamadori zum Bonsai

Tsukubai

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Hallo Zusammen,

vor gut zwei Jahren begleitete ich eine Yamadori - Tour in den Hunsrück. Hierbei gilt es Bäume in der Natur zu finden die das Potenzial für einen Bonsai haben.
Um überhaupt Bäume der Natur entnehmen zu dürfen, bedarf es einer Genehmigung durch den zuständigen Förster. Jedoch ist nicht jedes Gehölz welches oberirdisch ansprechend aussieht auch zum Bonsai geeignet. Die Mehrzahl der in Frage kommenden Bäume stehen mindestens schon 10 Jahre oder auch deutlich länger am Standort und sind meist tief verwurzelt. Diese Bäume wachsen selten an, da ihnen die notwendigen Feinwurzeln im Stammbereich fehlen. Geeigneter sind Bäume, die an ihrem Standort nur sehr flach wurzeln konnten. Ein Grund hierfür kann ein ein felsiger und sehr fester Untergrund sein. Somit ist ein guter Yamadorianer auch ein guter Bodenkundler bzw. Geologe.

Also ohne Genehmigung, Ortskenntnis und Yamadorierfahrung wird man kaum Erfolg haben.
(Lieber Stephan, dass ist die genaue Erklärung warum es nicht so einfach ist.)

Ich hatte die große Ehre erfahrene Bonsai Liebhaber zu begleiten, die schon seit Jahren mit großem Erfolg Yamadori zu Bonsai gestalten.

Bei dem Baum welchen ich nun vorstelle, handelt es sich um eine etwa 40 Jahre alte Hainbuche. Diese wurde mit anderen Hainbuchen als Abweidegehölz gepflanzt, um das Rotwild von anderen forstwirtschaftlich wichtigeren Bäumen abzuhalten. Bedingt durch den permanenten Wildverbiß blieben die Bäume sehr klein und bildeten dichte Kronen.

Der Bodengrund war stellenweise sehr feucht und das Gehen war dort sehr schwerfällig. Wäre ich nicht auf der Suche nach Yamadori gewesen, dann hätten mich dort keine zehn Pferde hinein ziehen können. Der Boden war deshalb so sumpfig, weil der tiefere Bodengrund aus Mergel bestand und kaum Niederschlagswasser versickern ließ. Die Hainbuchen standen auf kleinen Erhöhungen und bildeten durch diese Umstände flache Wurzelteller.

Anbei ein paar Landschaftsbilder.

Fortsetzung folgt

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

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Tsukubai

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Hallo Zusammen,

wenn man eine Yamadori Tour plant, dann sollten mindestens zwei Personen teilnehmen. Es werden Bereiche betreten, die manchmal weit ab der Wanderwege liegen. Falls man aus irgendeinen Grund in Not gerät, dann ist man nicht alleine. Wer denkt ich gehe mal auf eigene Faust los und wenn etwas passiert dann rufe ich mit dem Handy die Rettung, dem sage ich an dieser Stelle, dass ich in diesem Gebiet in den seltensten Fällen Netzempfang hatte.

Des Weiteren kann ein Yamadori auch sehr schwer sein. Einen Erdballen von gut 20 Kilogramm auf eine längere Distanz quer durch den Wald, Bergauf und Bergab oder sogar durch einen Sumpf zu tragen wird garantiert zur Tortur. Arbeitserleichternd sind sogenannte Lastenkraxen. Das sind Gestelle die man auf dem Rücken wie ein Rucksack trägt. So mancher Yamadorianer baut sich eine Trage wie bei einem Sanitäter, welche man zu zweit trägt.

Zum Ausgraben von Yamadori benötigt man auf alle Fälle folgende Werkzeuge:

- Spaten
- Erdpickel
- Astschere / Rosenschere
- Ballentücher

Wie schon im ersten Teil berichtet sollten nur Bäume aus dem Boden entnommen werden, die auch eine reale Chance haben anzuwachsen. Lieber ist der Wurzelballen zu groß als zu klein.
Abhängig von der entsprechenden Baumart, erfolgt ein grober Rückschnitt der Krone. Zum einen reduziert man die Verdunstungsmasse des Baumes und zum anderen kann man den Yamadori auch besser transportieren.

Anbei wieder ein paar Bilder.

Fortsetzung folgt

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

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Tsukubai

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Hallo Zusammen,

nun komme ich "endlich" zu meiner schon angesprochenen Hainbuche. Der Baum ist etwa 40 Jahre alt und wurde durch Rotwild permanent kurz gehalten. Die Krone sah schon fast so aus wie ein Sitzkissen. Auch der Stamm bekam von den Hirschen sein "Fett" weg. Dieser zeigt deutliche Spuren wahrscheinlich durch das Fegen von Hirschgeweihen. Der Stamm bekam dadurch eine interessante Bewegung. Der Stammverlauf ist frei aufrecht und der Kronenaufbau kann schon als sehr gut betrachtetet werden. Glück hatte ich auch mit den Wurzeln des Baumes, denn dieser hatte ein so dichtes Feinwurzelwerk, dass man hätte meinen können, diesen Baum hätte ich in einer Baumschule ausgegraben.

Wie das so unter Yamadorianer üblich ist, wird die "Beute" des anderen sehr genau bemustert und die Vorteile aber auch die Nachteile besprochen. Alle waren sich einig, dass diese Hainbuche großes Potenzial für eine Bonsaigestaltung hat und ich gar nicht so lange warten muss, bis ich ein ansehnliches Ergebnis vor mir habe.
Da ich bei der Entdeckung dieser Hainbuche (mein erster Yamadori) so aus dem Häuschen war, vergaß ich leider von Ihr ein Landschaftsbild zu machen :oops: :(
Auf dem ersten Bild ist die Hainbuche etwa 1 Tag in meinem Besitz und wurde zwecks guten Anwachsen in eine offene Kunststoffkiste gesetzt. Als Bodengrund wählte ich ein lockeres Erdsubrat welchem ich Sand und Schottersplitt unter mischte.
Da das Frühjahr vor der Türe stand, brauchte ich gar nicht lange zu warten bis sich die ersten Blätter am Baum zeigten. Da der Baum sich so gut entwickelte setzte ich die Hainbuche auf Empfehlung im Frühjahr 2014 in seine jetzige Schale (Länge: 46 cm, Breite 36 cm, Höhe 16 cm)
Beim Umpflanzen bekam die Hainbuche ihre Erstgestaltung und der Wurzelansatz (Nebari) mit einem Durchmesser von 27 cm wurde mehr zur Geltung gebracht.
Im Frühjahr 2015 habe ich diese Hainbuche mittlerweile schon 2 Jahre und die weitere Verfeinerung der Baumkrone wird fortgesetzt.

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

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Tsukubai

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Hallo Zusammen,

ich vergaß doch glatt die Größenangaben der Hainbuche zu nennen:

Höhe ohne Schale: 77 cm
Kronenbreite: 58 cm

Weiterhin möchte ich noch hinzufügen, dass ich im Frühjahr auch das Totholz am Stamm säubern und mit Jinmittel gegen Morschung behandeln möchte.

Eine prächtige Größe für eine Bonsai - Hainbuche :D

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

Tsukubai

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Bernd82 schrieb:
Wo ein wille ist, da ist auch ne Hecke :lol: :lol: :lol:
Sieht gut aus... :thumleft:
Hallo Bernd,

zuerst einmal vielen Dank :D

In der Tat werden im Internet Hainbuchenbonsai angeboten die ihren Ursprung als Hecken - oder Baumschulpflanze hatten. Wenn man aber genau hinschaut, dann erkennt man sehr schnell den Unterschied. Während die Yamadori - Hainbuche etwa 40 Jahre benötigt hat langsam empor zu wachsen und einen kräftigen Stamm mit 8 cm im Durchmesser zu bilden, ist die Heckenpflanze nie gleichmäßig im Stammverlauf verjüngt worden. Das bedeutet, dass der Stamm auf einer langen Strecke in der Regel gleichmäßig dick ist und dann durch einen Schnitt abrupt gekürzt wurde. Diese Kappungen erkennt man leicht an den großen und unschönen Schnittstellen. Als Spitze wird dann bei diesen Bonsai ein Seitentrieb hoch gelenkt.

Wenn ich eine gute Yamadori - Hainbuche und eine Heckenpflanzen - Hainbuche mit Koi vergleichen würde, dann wäre es so wie bei einen guten Japankoi und einem billigen Eurokoi.

Das Jahrzehnte lange Arbeiten der Natur an einem guten Yamodori kann wahrhaftig eine Kunst sein.

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

Tsukubai

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Hallo Zusammen,

hoppla, das letzte Update liegt bei dieser Yamadori Hainbuche aber ganz schön lange zurück :oops: Höchste Zeit für ein Update.
Zum Winterende, so gegen März, hatte ich mir diesen Yamadori vorgenommen, um etwas mehr Struktur in den noch recht unordentlichen Kronenaufbau zu bringen. Da wurde Ausgelichtet, Gedrahtet, Geschnitten und mit Spannseilen gearbeitet. Leider hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht daran gedacht ein Foto zu machen.

Um den Kronenaufbau zu fördern, habe ich auch diese Hainbuche mal durchtreiben lassen. Anbei eine Aufnahme vor dem Pflegeschnitt. Sobald dieser Yamadori fertig ist, stelle ich ein neues Bild ein.

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

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Biba

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Thomas. Sag mir doch mal bitte warum die Blätter im Dezember nicht abgefallen sind? Selbst ohne Wind fallen bei meinem Benjamini im Büro die Blätter zu Boden und haften nicht am Baum. Ist das bei Hainbuchen anders oder woran liegt das?
 

Tsukubai

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Biba schrieb:
Thomas. Sag mir doch mal bitte warum die Blätter im Dezember nicht abgefallen sind? Selbst ohne Wind fallen bei meinem Benjamini im Büro die Blätter zu Boden und haften nicht am Baum. Ist das bei Hainbuchen anders oder woran liegt das?
Hallo Frank,

das ist wirklich eine sehr gute Frage :thumright:

Das Blattabwurfverhalten hat mit der ursprünglichen Herkunft der Bäume zu tun und deren genetischen Anpassung an diesem Standort.

Grundsätzlich kann man sagen, dass in unseren Breiten die schon von "Urzeiten" einheimischen Bäume ihre Blätter im Herbst abwerfen, um ihre Verdunstungsmasse im Winter zu reduzieren. Der Hintergrund liegt darin begründet, weil bei Frost das Wasser kristalin also fest wird und von der Pflanze nicht mehr aufgenommen werden kann. Der häufigste Pflanzentod im Winter ist das Vertrocknen! Des Weiteren reduziert der laublose Baum auch sein Auflagefläche und bekommt somit weniger Probleme mit der Schneelast.

Die Hainbuche die ihr Vorjahreslaub in der Regel bis zum Frühjahr behält, kommt ursprünglich aus Gebieten (Südeuropa und dem Kaukasus) wo es nicht notwendig ist ihr Laub im Herbst abzuwerfen. Zum einen gibt es dort weniger Frost und somit auch weniger Schneelast. Es wird dafür aber sonnige und trockene Witterungsphasen geben bei der Baum Wasser verdunstet. Ohne die Blätter die wie ein Sonnenschirm wirken, würde die Hainbuche Trockenschäden bekommen. Wenn im Frühjahr die neuen Blätter sprießen und somit einen neuen Sonnenschutz für die Rinde des Baumes bilden, dann wirft die Hainbuche ihr Laub ab.

Mit Deinem Ficus im Büro sieht das anders aus. Zum einem verlieren immergrüne Bäume das ganze Jahr über ihre alten Blätter. Bei bestimmten Arten gibt es aber auch verstärkte Blattwurfzeiten (z.B. beim Bambus), aber diese bleiben trotzdem grün. Des Weiteren hast Du je nach Jahreszeit in unseren Breiten mehr Licht (Sommer) und weniger Licht (Winter). Ohne Pflanzenstrahler bekommt zum Beispiel Dein Ficus im Winter zu wenig Licht und reagiert damit mit Blattabwurf. Deshalb ist die zum Fenster geneigte Seite von Deinem Zimmerbäumchen meist blattreicher, als die Seite welche zur dauerschattigen Seite einer Zimmerecke zeigt.

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

Biba

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Hallo Thomas,

danke für echt ausführliche und tolle Einführung.
Doch eine Frage hab ich noch ;)

Hätte die kleine Hainbuche im Dezember die Blätter denn verloren, wenn man mal etwas den Topf geschüttelt hätte, oder sind die immer noch so fest mit dem Baum verbunden wie zur "Grünzeit" und man müsste sie abrupfen?
 

Tsukubai

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Biba schrieb:
Hallo Thomas,

danke für echt ausführliche und tolle Einführung.
Doch eine Frage hab ich noch ;)

Hätte die kleine Hainbuche im Dezember die Blätter denn verloren, wenn man mal etwas den Topf geschüttelt hätte, oder sind die immer noch so fest mit dem Baum verbunden wie zur "Grünzeit" und man müsste sie abrupfen?
Hallo Frank,

die braunen Blätter sind richtig fest und selbst ein Herbststurm würde mir eher den Baum vom Tisch wehen, als das nur ein Blatt abfällt.
Abrupfen würde ich die Blätter niemals, denn nachher wird noch die Rinde oder die neue Blattknospe beschädigt.

Ach übrigens, den Topf kannst Du nicht schütteln. Du kannst schon froh sein, wenn Du diesen überhaupt getragen bekommst. Die Schale plus Inhalt ist nämlich ganz schön schwer.

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

Biba

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Das abrupfen und schütteln war auch mehr rethorisch gemeint, um die Festigkeit der braunen Blätter verstehen zu können. ;)

Ist aber gut zu wissen, denn wenn ich einen solchen Baum im Garten gehabt hätte und den so braun gesehen hätte, wäre ich glaube dem irrglauben aufgessen das das Bäumchen "hin ist".

Schön, nun hab ich wieder was gelernt. Danke dafür.
 

Tsukubai

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Hallo Zusammen,

so die Yamadori Hainbuche hat ihren Pflegeschnitt erhalten und wurde auch entdrahtet. Im Vergleich mit den ersten Bildern nach der Yamadoritour hat sich die Hainbuche sehr gut weiter entwickelt.

Im März 2016 werde ich folgende Maßnahmen durchführen um die Gestaltung zu verbessern:

Austopfen und einen Hauptwurzelschnitt durch führen. Ziel ist es hierbei die sehr langen sichtbaren Wurzeln vorsichtig zu kürzen, damit diese sich in Stammnähe verzweigen und ein gutes Nebari bilden.

Die hinteren Baumkronenäste sind recht straff nach oben gewachsen. Diese werde ich mit Spanndrähten etwas nach unten ziehen.

Durch einen gezielten Schnitt werde ich die Feinverzweigung der Krone fördern.

Der Totholzbereich ist noch nicht bearbeitet. Hierfür fehlte mir bisher das passende Werkzeug. Da das Holz nicht morsch und sehr hart ist, besteht aktuell keine Eile.

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

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Beeheen

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Hallo Thomas,

sieht richtig gut aus :thumright:
Muss man Totenholz eigentlich bearbeiten?
Ich habe im Frühjahr ein Rot/Weißdorn ausgegraben, der Baum stand auf der Koppel und wurde beim mähen wohl übersehen. Trotzdem der Baum recht viel Totenholz hat, trieb er ganz schön durch.

Gruß Henry
 

Tsukubai

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Beeheen schrieb:
Hallo Thomas,

sieht richtig gut aus :thumright:
Muss man Totenholz eigentlich bearbeiten?
Ich habe im Frühjahr ein Rot/Weißdorn ausgegraben, der Baum stand auf der Koppel und wurde beim mähen wohl übersehen. Trotzdem der Baum recht viel Totenholz hat, trieb er ganz schön durch.

Gruß Henry
Hallo Henry,

vielen Dank. Ich finde auch, dass der Baum in den 2 Jahren eine gute Entwicklung durchlaufen hat.

Deine Frage bezüglich des Totholzes kann ich mit ja und nein beantworten.

Ja, wenn das Totholz Morschungen hat. Diese Morschungen müssen bearbeitet bzw. entfernt werden, weil diese sonst das gesunde Holz gefährden könnten.

Ja, wenn Du vor hast das Totholz als sichtbares Element am Bonsai mit einzubauen. Dieses wird gereinigt, mit kleinen Holzfräsen optisch verschönert bzw. künstlerisch bearbeitet. Hierbei ist das Ziel den Bonsai optisch älter zu machen. Einen Totholzast nennt man "Jin" und Totholz am Stamm "Shari". Bei meiner Hainbuche hätte ich dann ein Shari.
Damit das Totholz auch so schön und unversehrt bleibt, wird es mit einer Jinflüssigkeit imprägniert.

Nein, wenn das Totholz hart und fest ist und wenn Du dieses optisch nicht hervorheben möchtest.

Schön, dass Du auch einen Yamadori hast :D Besonders der Weißdorn gilt als besonders geeignet und ich persönlich habe schon verdammt schöne Exemplare auf Bonsaiausstellungen gesehen (siehe Bild).
Ich bin mal gespannt, wie Du Deinen Yamadori gestaltest.

Viele Grüße :wink:
Thomas
 

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